In der Nachspielzeit des Meisterschaftsspiels des FC Luzern und dem Grasshopper Club Zürich (2:1) kam es zu einer unschönen Szene, die für grosse Aufregung sorgt:
Der 20-jährige ASL-Debütant Enzo Ruiz wurde knapp an der Aussenlinie von einem aus den Zuschauer-Rängen geworfenen vollen Getränkebecher getroffen und musste mit Sehstörungen in die Kabine. Die Grasshoppers legten Protest ein.
Keinen reglementarischen Spielraum
Der Becherwerfer stellte sich gestern. Er wurde vom FCL umgehend mit einem zweijährigen Stadionverbot bestraft. Eine Geld-Busse steht noch aus. Für den Gastklub kanns noch viel schlimmer kommen.
Denn reglementarisch gibts für die Richter eigentlich keinen Spielraum.
Im Wettspielreglement für den Schweizerischen Fussballverband steht unter der Rubrik «Forfait-Fälle» in Artikel 73, Abschnitt 3: «Ein Wettspiel geht (…) in folgenden Fällen mit 0:3 verloren: Wenn
nachgewiesenermassen (…) ein Zuschauer anlässlich eines Wettspiels einen Spieler, Schiedsrichter oder neutralen Schiedsrichter-Assistent (sic!) durch tätlichen Angriff aktionsunfähig macht oder mit
einem Gegenstand oder Wurfgeschoss verletzt.» Unterschrieben ist das Reglementswerk von Peter Gilliéron, dem neuen Präsidenten des SFV.
Die Faktenlage im «Fall Ruiz»
Sonntag, 91. Minute. Der wegen eines Krampfes hinter dem Tor gepflegte GC-Verteidiger Enzo Ruiz begibt sich mit Pflegern auf den Weg zurück in die Coaching-Zone vor der Haupttribüne und wird von
einem gefüllten Plastikbecher getroffen. Ruiz geht zu Boden. GC-Arzt Stefan Koeferli untersucht den Uruguayer, meldet Trainer Ciri Sforza: «Ruiz sieht unscharf.» Der Doc rät, das Opfer in die Kabine
zu schicken. Sforza befiehlt Ersatz-Captain Vero Salatic, noch auf dem Spielfeld bei Schiri Carlo Bertolini Protest einzulegen. Was der auch macht. Opfer Ruiz wird in die Kabine geschickt.
«Das ist die typische Schlitzohrigkeit von Ciri Sforza», behauptet Luzerns Präsident Walter Stierli, «als er unser Trainer war und David Zibung im Dezember 2007 in Sion von einem Gameboy getroffen
wurde, wollte er den Goalie auch auswechseln, um einen Protestgrund zu erwirken. Ich war aber dagegen und untersagte ihm das.»
Aus der Sicht des Sicherheitsdelegierten
Ruiz hätte weiterspielen wollen», mutmasst man gar auf Luzerner Seite. Und stützt sich auch auf die Aussagen von Meinrad Schönbächler. Der Sicherheitsdelegierte der Swiss Football League (SFL) war
auf der Gersag-Tribüne Augenzeuge des Vorfalls.
Schönbächler zu BLICK: «Ich habe gesehen, wie der Spieler von einem Becher mit Flüssigkeit getroffen wurde.» Schönbächler, im Hauptberuf Kriminalpolizist, sagt aber auch: «Der Spieler hat Anstalten
gemacht, das Spielfeld wieder zu betreten. Nachher ging er zurück in die Kabine, nachdem ihm der Trainer das gesagt hat.» Schönbächler hat dies in seinem schriftlichen Rapport zuhanden der SFL
festgehalten.
Ist Ruiz ein Simulant?
Ruiz wurde am Sonntagabend im Unispital Zürich auch mittels Computer-Tomografie untersucht. Er sagt am Tag danach: «Ich habe immer noch Kopfschmerzen und bin mich jetzt am Ausruhen. Ich bin zwar
zu Hause, muss aber noch einmal in die Klinik.»
GC bestätigt gestern den Protest. Will vorläufig zu diesem laufenden Verfahren aber keine weitere Statements mehr abgeben.
Entscheid innert drei Wochen
Wie geht es mit dem Protest weiter? Odilo Bürgy, der als Präsident der Disziplinarkommission zuständig ist für den Fall: «GC hat nun drei Tage Zeit, um den Protest zu bestätigen. Danach eröffnen
wir ein Verfahren und legen das Prozedere fest. Wir hoffen, den Fall innert drei Wochen zu einem Ende zu bringen.»
In der Praxis ist es so: Forfait-Fälle wurden bisher nur nach Protesten ausgesprochen. Also nicht bei Fällen, in denen die Disziplinarbehörden von sich aus aktiv wurden. Bürgy: «Mit einem Forfait
wird immerhin das sportlich erzielte Resultat umgestossen.» Der Protest von GC spricht also für ein Forfait. Und dennoch lässt sich Bürgy nicht festnageln: «Im Wettspielreglement stehen zwei Worte,
die Juristen Futter bieten: ‹Nachgewiesenermassen› und ‹verletzt›.» Konkret: Was ist nachgewiesen? Wann ist jemand verletzt?
«Zudem», so Bürgy, «ist das Gefährdungs-Potenzial für uns von grosser Wichtigkeit.» In diesem Fall heisst das: Eine Knall-Petarde, die zu bleibenden Ohrenschäden führen kann, wird als viel
gefährlicher für die Gesundheit eingestuft als ein Bierbecher.
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